Gibt es eine Rationale für die kombinierte Anwendung von volatilen Anästhetika und Propofol zur Aufrechterhaltung der Narkose?
Autoren
Mario Hensel, Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin Park-Klinik Weißensee Schönstraße 80, 13086 Berlin, Deutschland S. Fisch, Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin T. Kerner, Abteilung für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie, Asklepios Klinikum Harburg, Hamburg A. Wismayer, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité Campus Mitte, Charité – Universitätsmedizin Berlin J. Birnbaum, Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité Campus Mitte, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Hintergrund und Fragestellung: In dieser Beobachtungsstudie wurde ein alternatives Verfahren zur Aufrechterhaltung der Allgemeinanästhesie bezüglich Sicherheit und Praktikabilität getestet. Die Hypothese lautete, dass eine Kombinationsnarkose – bestehend aus Sevofluraninhalation, low-dose-Propofolinfusion (definierte Zielkonzentration: 1 µg · ml-1 im Target-Controlled-Infusion-Modus) und Remifentanilgabe – im Vergleich zur totalen intravenösen Anästhesie (TIVA) mit Propofol und Remifentanil weniger unerwünschte Begleiteffekte zeigt.
Methodik: Die Kombinationsnarkose wurde bei 270 konsekutiven Patienten, die sich einer elektiven Operation unterzogen haben, durchgeführt. Um eine möglichst strukturgleiche Kontrollgruppe zu kreieren, wurden nach dem statistischen Verfahren der Matched-Pair-Analyse 270 prospektiv untersuchte Patienten ausgewählt, bei denen die Aufrechterhaltung der Narkose mit einer TIVA erfolgte. Matching-Kriterien waren ASA-Klassifikation, Geschlecht, Body-Mass-Index, Alter, Operation und PONV (postoperatives Übelkeit und Erbrechen)-Risiko. Die Hypnotikasubstitution wurde in beiden Studiengruppen mittels EEG-Signal gesteuert.
Ergebnisse: Alle Kombinationsnarkosen konnten problemlos (praktikabel) und ohne anästhesiebedingte Zwischenfälle (sicher) durchgeführt werden. Die minimale alveoläre Konzentration von Sevofluran (Luft-Sauerstoff-Gemisch) in der Kombinationsnarkose-Gruppe betrug 0,4(0,3–0,6[0,2–1,0]) Vol%. Die Propofol-Dosierung in der TIVA-Gruppe war im Median 8(7–9[5–14]) mg · kg -1 · h -1. In der Kombinationsnarkose-Gruppe wurden 0,22(0,16–0,28[0,05–0,48]) µg · kg -1 · min -1 Remifentanil und in der TIVA-Gruppe 0,25(0,19–0,32[0,05–0,62]) µg · kg -1 · min -1 Remifentanil verabreicht (n.s.). Signifikante Gruppenunterschiede zeigten sich hinsichtlich der PONV-Rate (Kombinationsnarkose: 59/270, TIVA: 84/270, p=0,015), bezüglich des Auftretens unerwünschter Spontanbewegungen der Patienten während der Operation (Kombinationsnarkose: 8/270,
TIVA: 38/270, p<0,001), beim Vasopressorenbedarf (Kombinationsnarkose: 121/270, TIVA: 184/270, p<0,001) und bei der Extubationszeit (Kombinationsnarkose: 8(6–11[2–15]) min, TIVA: 10(8–12[2–22]) min, p=0,012).
Schlussfolgerungen: Die Verminderung von PONV-Rate und Spontanbewegungen sowie die größere hämodynamische Stabilität zeigen, dass es eine Rationale für die kombinierte Anwendung von volatilen Anästhetika und Propofol zur Aufrechterhaltung der Narkose gibt.