Übersichtsarbeiten
J. Baum, B. von Bormann, J. Meyer, H. Van Aken

Sauerstoff als Trägergas in der klinischen Anästhesie

Oxygen as carrier gas in general anaesthesia

Schlüsselwörter Hyperoxie, Luft, Maschinelle Beatmung, Nebenwirkungen
Keywords Hyperoxia, Air, Ventilation Mechanical, Adverse Effects
Zusammenfassung

Zusammenfassung: Der Trend zum Verzicht auf Lachgasmacht es nötig, über Alternativen zum herkömmlichen Lachgas-Sauerstoff-Trägergasgemisch nachzudenken. Für den Gebrauch einer Trägergasmischung aus Sauerstoff und Luft spricht, dass sich im Atemsystem eine zur erforderlichen oder angestrebten Sauerstoffkonzentration komplementäre Stickstoffkonzentration im Atemsytem etabliert.


Es gibt keinerlei Kontraindikationen für ein solches Gasgemisch, die Gaszusammensetzung im Atemsystem kann jedem Erfordernis entsprechend angepasst werden. Für die Beschränkung auf Sauerstoff als einzigem Bestandteil des Trägergases sprechen folgende Überlegungen: Nicht alle Narkosegeräte sind mit Gasdosiereinrichtungen für Luft ausgerüstet, oder diese sind nicht für die Dosierung niedriger Gasflüsse geeignet. Die Zumischung der zweiten Trägergaskomponente Luft wäre somit unmöglich oder zumindest unwirtschaftlich. Hohe Sauerstoffkonzentrationen werden in der Einleitungs- und der Ausleitungsphase zum Schutz der Patienten regelhaft angewandt. Während des Ablaufes einer Narkose garantieren sie durch Vergrößerung des intrapulmonalen Sauerstoffspeichers eine hohe Patientensicherheit in allen gewollten oder akzidentellen Apnoephasen. Wird auf die Beimischung einer zweiten Gaskomponente zum Sauerstoff verzichtet, ist die Entwicklung hypoxischer Gasgemische im Atemsystem ausgeschlossen, dies unabhängig vom Trägergasfluss. Die Narkoseführung wird durch den alleinigen Gebrauch von Sauerstoff nicht nur sicherer, sondern auch einfacher, weil die gerade bei Niedrigflussnarkosen beobachteten großen Unterschiede zwischen der Trägergaszusammensetzung und der Gaszusammensetzung im Atemsystem entfallen. Die Beschränkung auf Sauerstoff als Trägergas könnte zu einer erheblichen technischen Vereinfachung der Gasdosiersysteme führen. Sie brächte des Weiteren logistische Vorteile, da Ankauf, Vorratshaltung und Transport von Gasflaschen mit der zweiten Trägergaskomponente Luft entfallen. Hohe Sauerstoffkonzentrationen im Atemgas erhöhen nicht nur die Patientensicherheit, sie senken darüber hinaus die Auftretenshäufigkeit postoperativer Wundinfektionen und möglicherweise auch die Auftretenshäufigkeit von Übelkeit und Erbrechen. Die unter hohen Sauerstoffkonzentrationen zu beobachtende Zunahme der Bildung von Atelektasen scheint bezüglich der postoperativen Atmungsfunktion und des Gasaustausches im Vergleich zur Beatmung mit niedrigen Sauerstoffkonzentrationen keine wesentliche klinische Bedeutung zu haben. Mit Rekruitmentmanövern und der Einstellung eines positiv endexspiratorischen Druckes kann der Atelektasenbildung entgegengewirkt werden. Eine zeitlich auf 6 bis 8 Stunden begrenzte Beatmung mit hohen Sauerstoffkonzentrationen wird von zahlreichen Autoren für den gesunden Patienten als unproblematisch und nicht nachteilig angesehen. Zu beachten sind allerdings die Kontraindikationen für die Beatmung mit hohen Sauerstoffkonzentrationen: Bei Patienten mit starker bronchialer Sekretion kann es durch Verschluss der Bronchiolen mit Sekret und konsekutivem Ausschluss abhängiger Alveolarregionen von der Ventilation zu gravierender Ausbildung von Resorptionsatelektasen kommen. Eine verminderte Hyperoxietoleranz ist nach stattgehabter Säureaspiration, schweren entzündlichen Alterationen des Lungenparenchyms, bei prämaturen Neonaten und bei Patienten unter Chemotherapie mit Bleomycin und Mitomycin anzunehmen. Auch laserchirurgische Eingriffe in Regionen, die unmittelbar dem Beatmungsgas ausgesetzt sind, verbieten wegen der Entzündungs- und Brandunfallgefahr den Einsatz hoher Sauerstoffkonzentrationen. Diese im klinischen Alltag der Regelversorgung eher selten vorkommenden Kontraindikationen erfordern den Einsatz von Narkosegeräten, die mit einer zweiten Gasdosiereinrichtung für Luft ausgerüstet sind.

Summary Summary: The current trend toward strict avoidance of the use of nitrous oxide means that detailed consideration of alternative carrier gas mixtures is required. Preferably, a mixture of oxygen and medical air could be used. This would allow free selection of any oxygen concentration in accordance with the individual pa- tient’s needs. There are absolutely no contraindications to the use of a gas mixture consisting of oxygen and nitrogen. However, not all anaesthetic machines are equipped with a gas control system for medical air. The use of pure oxygen as the carrier gas would be an alternative. For safety reasons, high inspiratory oxygen concentrations are used routinely during induction and emergence phases. High inspiratory oxygen concentrations would significantly increase the pulmonary oxygen reservoir, improving safety during intended or accidental intraoperative apnoeic phases. The use of pure oxygen as the carrier gas would eliminate any risks resulting from the development of hypoxic gas mixtures and would make low flow techniques not only safer, but even more simple. Not using a second carrier gas component would also be advantageous in relation to logistic considerations, as it would not be necessary to store and transport a second type of gas cylinder. High inspiratory oxygen concentrations significantly reduce the incidence of postoperative wound infections and may reduce the incidence of postoperative nausea and vomiting. The increased tendency for resorption atelectases to develop can be overcome by carrying out recruitment maneuvers and using ventilation with positive end-expiratory pressure. Several authors consider ventilation with high oxygen concentrations for a limited period of 6 - 8 hours not harmful in healthy patients. However, the contraindications to the application of high oxygen concentrations need to be carefully observed. Severe bronchial secretion increases the incidence of resorption atelectases, and decreased tolerance for hyperoxia is observed after acid aspiration, in severe pulmonary inflammation, in premature neonates, and in patients undergoing chemotherapy with Bleomycin or Mitomycin. High oxygen concentrations must be avoided during laser surgery if the surgical area is in direct contact with the breathing gas. It is still an open question whether the inspiratory oxygen concentration of just 80% that is reported in several current papers provides an optimum balance between the benefits and disadvantages of high oxygen concentrations.
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