Mitteilungen | Communications
Kasuistiken | Case Reports
T. Fabian, T. Tjardes, S. Trojan, F. Wappler, S. G. Sakka

Septischer Schock durch selbst intravenös applizierte Stuhlsuspension bei einem Patienten mit Münchhausen- Syndrom

Septic shock due to self-administered stool suspensions in a patient with Munchausen syndrome

Schlüsselwörter Sepsis, Biomarker, Münchhausen-Syndrom
Keywords Sepsis, Biomarkers, Munchausen syndrome
Zusammenfassung

Ein 36-jähriger Patient wurde von der orthopädischen Normalstation auf die Intensivstation mit einer Sepsis bei unklarem Fokus zugewiesen. Er war dort bis zu diesem Zeitpunkt ca. 2 Wochen lang wegen einer chronischen Osteitis nach multiplen Knieoperationen mit schließlich Oberschenkelamputation behandelt worden.


Aktuell hatte er sich bei einem anhaltenden Infekt einer Stumpfrevision und der Anlage eines Zentralvenenkatheters unterzogen. Postoperativ entwickelte er auf der Normalstation Fieber, Schüttelfrost und ein Delir. Er erhielt eine antibiotische Therapie und wurde auf die Intensivstation verlegt. Unmittelbar nach der Aufnahme bedurfte es bei progredientem Kreislaufversagen mit schwerer arterieller Hypotension einer ca. 5-minütigen kardiopulmonalen Wiederbelebung. Blutkulturen wurden entnommen, eine an die mikrobiologischen Vorbefunde angepasste breite antiinfektive Therapie wurde begonnen. Mit Hilfe von Echokardiographie und Computertomographie konnte eine Lungenarterienembolie ausgeschlossen werden. Überraschenderweise fand das Pflegepersonal der Normalstation am Folgetag im Spind des Patienten eine in einem Strumpf versteckte, verdächtige 20 ml-Spritze, die mit einer stuhligen Flüssigkeit gefüllt war. Die histologische und mikrobiologische Untersuchung des Inhalts erbrachte Knochenpartikel und multiple Erreger. Unter intensivmedizinischen Maßnahmen konnte der Patient rasch stabilisiert und nach ca. 12 Stunden extubiert werden. Bei der Konfrontation des Patienten mit dem Verdacht auf einen selbst zugefügten Schaden gab er zu, wiederholt die Wunde kontaminiert und die Stuhllösung in den zentralen Venenkatheter unmittelbar vor der Aufnahme auf die Intensivstation injiziert zu haben. Ein hinzugezogener Psychiater dia­gnostizierte ein Münchhausen-Syndrom. Der Patient unterzog sich freiwillig einer psychiatrischen Behandlung nach Verlegung von der Intensivstation. Wie der Fallbericht zeigt, sollte bei jedem Patienten mit Nichtübereinstimmungen zwischen klinischen Symptomen und Untersuchungsverfahren eine psychia­trische Erkrankung, wie beispielsweise ein Münchhausen-Syndrom, berücksichtigt werden.

Summary We present a 36-year old male patient who was admitted from an orthopaedic normal ward to the ICU for sepsis of unknown origin. He was treated for weeks for chronic osteitis after multiple knee operations and had undergone leg amputation about one year before. On the day of ICU admission he had undergone stump revision because of ongoing infection and central venous cathetherization. Postoperatively, he developed fever, shivering and confusion. He received antibiotic treatment and was transferred to the ICU. Immediately after admission, he required cardiopulmonary resuscitation for about 5 minutes. Blood cultures were sampled, broad anti-infective treatment was initiated. Echocardiography and computed tomography excluded pulmonary artery embolism. On the next day, the nursing staff on the normal ward found a 20ml-syringe with a suspicious faecal suspension hidden in a stocking in the patient’s wardrobe. Histological and microbiological examination of its content revealed bone particles and multiple germs. Fortunately, the patient could be rapidly stabilised and extubated one day after ICU admission. The patient was confronted with these findings, and he admitted to having repeatedly contaminated the wound and having injected the suspension via the central venous catheter prior to ICU admission. Consultation by a psychiatrist revealed a Munchausen syndrome. After completion of intensive care treatment, the patient voluntarily underwent psy­chiatric treatment. In conclusion, psychiatric pathologies, e.g. Munchausen syndrome, should be considered in any patient if there are inconsistencies between clinical symptoms and tests.
Deutsch
Englisch