Sonderbeiträge | Special Articles
Anästhesiegeschichte | History of Anaesthesia
L. Brandt, U. Artmeier-Brandt

Vom Scheintod zur Notfallmedizin

From suspended animation to emergency medicine: How an irrational fear catalyzed a rational medicine

Schlüsselwörter Scheintod, Lazarus-Phänomen, Aufklärung, Leichenhaus, Reanimation, Todesfeststellung, Notfallmedizin
Keywords Suspended Animation, Lazarus-Phenomenon, Age of Enlightenment, Mortuary, Resuscitation, Certification of Death, Emergency Medicine
Zusammenfassung

Immer wieder berichtet die Tagespresse über fatale Diagnoseirrtümer, die dazu führen, dass ein noch lebender, aber auf dem Totenschein als verstorben befundener Mensch dem Bestatter oder dem Pathologen als „Scheintoter“ übergeben wird. Die Furcht, aufgrund der Fehl­diagnose „Scheintod“ lebendig begraben zu werden, reicht bis in das Altertum zurück.


Im Zeitalter der Aufklärung (ca. 1650 - 1800) erlebte diese Angst einen Höhepunkt. Sie führte einerseits zu ku­- riosen Erfindungen, die es dem versehentlich Begrabenen ermöglichen sollten, sich bemerkbar zu machen, andererseits war sie der Katalysator für eine Reform des Bestattungswesens und für die Weiterentwicklung der Notfallmedizin. Auf Betreiben Christoph Wilhelm Hufelands wurde im Jahr 1792 in Weimar das erste Leichenhaus in Deutschland errichtet. Die Notfallmedizin erhielt durch viele Publikationen, die sich mit dem Scheintod nach Unglücksfällen und vor allem mit der Wiederbelebung Ertrunkener auseinandersetzten, wegweisende Impulse. Wenngleich, wie am Beispiel des Tabakrauchklistiers gezeigt, nicht alle damals entstandenen und praktizierten Reanimationsmethoden den Test der Zeit bestanden haben, so kann das Zeitalter der Aufklärung ohne Zweifel für sich in Anspruch nehmen, die Geburtsstunde der modernen Reanimationsmedizin zu sein.

Summary Time and time again, the daily press reports cases of fatal diagnostic errors with the consequence of attesting final death in the death certificate , although the deceased had only been in a state of suspended animation. The dread of being buried alive in such a state dates back to ancient times. During the Age of Enlightenment (about 1650 - 1800), this fear reached a climax. It resulted in curious inventions anchored in funeral rites on the one hand. On the other, it catalysed a reform of the funeral systems and the development of resuscitation medicine. At the instigation of Christoph Wilhelm Hufeland in 1792, the first mortuary in Germany was opened at Weimar. Inspired by a lot of publications dealing with apparent death resulting from a mishap, especially drowning, the development of emergency medicine significantly boosted. Although not all resuscitation methods practised in the Age of Enlightenment stood the test of time – as may be exemplified by the tobacco smoke clyster – this era may claim being the natal hour of modern resuscitation medicine.
Deutsch
Englisch