Zusammenfassung: Ein Polytrauma ist ein potentiell lebensbedrohliches Syndrom gleichzeitig eingetretener Verletzungen mehrerer Körperregionen oder Organe mit konsekutiven systemischen Funktionsstörungen. Die Patienten sind in erster Linie durch Hypovolämie und Gewebehypoxie gefährdet.
Die wichtigsten Aufgaben des Notarztes sind der erste Blick auf den Patienten mit Bewertung des Unfallmechanismus, die gewissenhafte Basisuntersuchung, die Sicherung von Gasaustausch und Kreislauf, die Verhütung von Folgeschäden, der unverzügliche Transport, die frühzeitige Alarmierung der Zielklinik und die kurze zielorientierte (Fremd-) Anamnese, was als „work and go" zusammengefasst wird. Endotracheale Intubation und kontrollierte Beatmung dienen primär der Oxygenierung und Sicherung des Atemwegs und nur sekundär der Analgesie. Viele schwerstverletzte Patienten benötigen nach der Einleitung zunächst keine weiteren Analgetika oder Sedativa. Dann darf die lebenserhaltende endokrine Stressreaktion nicht durch inadäquate Zufuhr von Anästhetika supprimiert werden, während bei klinischen Zeichen unzureichender Anästhesie die Narkose wieder vertieft wird. Bei Patienten im traumatisch-hämorrhagischen und hämorrhagischen Schock ist grundsätzlich eine rasche Kreislaufstabilisierung durch Blutstillung und Volumenzufuhr anzustreben. Ziel der Kreislauftherapie ist ein SAP > 90 mm Hg bei einer HR < 100/min. Bei Patienten mit SHT ist zur Sicherung eines ausreichenden CPP ein SAP > 120 mm Hg anzustreben. In Ausnahmefällen mit unstillbarer Blutung ist bis zur chirurgischen oder interventionellen Blutstillung eine zurückhaltende Volumenzufuhr mit permissiver Hypotonie erforderlich. Als orientierender Zielwert gilt hier ein SAP von 70 - 80 mm Hg (oder ein MAP > 50 mm Hg). Bei der mündlichen und schriftlichen Übergabe im Schockraum informiert der Notarzt die übernehmenden Fachärzte für Chirurgie und Anästhesie gleichzeitig und nicht getrennt. Es folgt die eingehende körperliche Basisuntersuchung des Patienten durch die aufnehmenden Ärzte, die Anlage eines Mehrlumen-ZVK mit hoher Flussrate und die erste bildgebende Diagnostik. Beim innerklinischen Transport ist eine besonders aufmerksame klinische und technische Überwachung erforderlich und der Patient vor Auskühlung zu schützen. Die zwingend erforderlichen diagnostischen Maßnahmen sind schriftlich festzulegen und unverzüglich durchzuführen. Das Für und Wider der therapeutischen Verfahren ist sorgfältig abzuwägen, um in der Nettobilanz eine Minimierung des Traumas zu erreichen. Nach der Aufnahme auf der Intensivstation ist der Patient mindestens einmal täglich systematisch von Kopf bis Fuß zu untersuchen und zu bewerten. Ein spezieller Schockraum ist nicht nur für die Erstversorgung polytraumatisierter Patienten, sondern auch für die Erstversorgung sonstiger Notfallpatienten erforderlich. Die Ausstattung muss die Sicherung der Vitalfunktionen, bestimmte Maßnahmen der Primärdiagnostik und unaufschiebbare Eingriffe ermöglichen. Der Schockraum muss jederzeit durch ein qualifiziertes Notfallteam besetzt werden können. Im Interesse des Patienten ist eine reibungslose und teamorientierte interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich. Dazu hat sich die Funktion des Teamkoordinators bewährt.