Übersichten | Review Articles
Zertifizierte Fortbildung | Continuing Medical Education (CME)
H.A. Adams, O. Trentz

Die Erstversorgung des polytraumatisierten Patienten

Initial management of multiple-injury patients

Schlüsselwörter Polytrauma, Präklinische Versorgung, Notarzt, Klinische Erstversorgung, Schockraum, Schock
Keywords Multiple Injury, Preclinical Care, Emergency Physician, Primary Clinical Care, Emergency Department, Shock
Zusammenfassung

Zusammenfassung: Ein Polytrauma ist ein potentiell lebensbedrohliches Syndrom gleichzeitig eingetretener Verletzungen mehrerer Körperregionen oder Organe mit konsekutiven systemischen Funktionsstörungen. Die Patienten sind in erster Linie durch Hypovolämie und Gewebehypoxie gefährdet.


Die wichtigsten Aufgaben des Notarztes sind der erste Blick auf den Patienten mit Bewertung des Unfallmechanismus, die gewissenhafte Basisuntersuchung, die Sicherung von Gasaustausch und Kreislauf, die Verhütung von Folgeschäden, der unverzügliche Transport, die frühzeitige Alarmierung der Zielklinik und die kurze zielorientierte (Fremd-) Anamnese, was als „work and go" zusammengefasst wird. Endotracheale Intubation und kontrollierte Beatmung dienen primär der Oxygenierung und Sicherung des Atemwegs und nur sekundär der Analgesie. Viele schwerstverletzte Patienten benötigen nach der Einleitung zunächst keine weiteren Analgetika oder Sedativa. Dann darf die lebenserhaltende endokrine Stressreaktion nicht durch inadäquate Zufuhr von Anästhetika supprimiert werden, während bei klinischen Zeichen unzureichender Anästhesie die Narkose wieder vertieft wird. Bei Patienten im traumatisch-hämorrhagischen und hämorrhagischen Schock ist grundsätzlich eine rasche Kreislaufstabilisierung durch Blutstillung und Volumenzufuhr anzustreben. Ziel der Kreislauftherapie ist ein SAP > 90 mm Hg bei einer HR < 100/min. Bei Patienten mit SHT ist zur Sicherung eines ausreichenden CPP ein SAP > 120 mm Hg anzustreben. In Ausnahmefällen mit unstillbarer Blutung ist bis zur chirurgischen oder interventionellen Blutstillung eine zurückhaltende Volumenzufuhr mit permissiver Hypotonie erforderlich. Als orientierender Zielwert gilt hier ein SAP von 70 - 80 mm Hg (oder ein MAP > 50 mm Hg). Bei der mündlichen und schriftlichen Übergabe im Schockraum informiert der Notarzt die übernehmenden Fachärzte für Chirurgie und Anästhesie gleichzeitig und nicht getrennt. Es folgt die eingehende körperliche Basisuntersuchung des Patienten durch die aufnehmenden Ärzte, die Anlage eines Mehrlumen-ZVK mit hoher Flussrate und die erste bildgebende Diagnostik. Beim innerklinischen Transport ist eine besonders aufmerksame klinische und technische Überwachung erforderlich und der Patient vor Auskühlung zu schützen. Die zwingend erforderlichen diagnostischen Maßnahmen sind schriftlich festzulegen und unverzüglich durchzuführen. Das Für und Wider der therapeutischen Verfahren ist sorgfältig abzuwägen, um in der Nettobilanz eine Minimierung des Traumas zu erreichen. Nach der Aufnahme auf der Intensivstation ist der Patient mindestens einmal täglich systematisch von Kopf bis Fuß zu untersuchen und zu bewerten. Ein spezieller Schockraum ist nicht nur für die Erstversorgung polytraumatisierter Patienten, sondern auch für die Erstversorgung sonstiger Notfallpatienten erforderlich. Die Ausstattung muss die Sicherung der Vitalfunktionen, bestimmte Maßnahmen der Primärdiagnostik und unaufschiebbare Eingriffe ermöglichen. Der Schockraum muss jederzeit durch ein qualifiziertes Notfallteam besetzt werden können. Im Interesse des Patienten ist eine reibungslose und teamorientierte interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich. Dazu hat sich die Funktion des Teamkoordinators bewährt.

Summary Summary: Multiple injury is a potentially life-threatening syndrome involving simultaneous injuries to various regions or organs with consecutive systemic dysfunctions. The most important risks are hypovolaemia and tissue hypoxia. The major tasks of the emergency physician are assessment of the patient and trauma mechanism (first view), a meticulous basic examination, preservation of gas exchange and the circulation, prevention of sequelae, prompt transport, timely alerting of the hospital and the establishment of a brief (indirect) anamnesis. Primarily, endotracheal intubation and controlled ventilation serve to secure oxygenation and the airways and analgesia only secondarily. After induction of anaesthesia, many seriously injured patients require no further analgesia or sedation, and the life-saving endocrine stress response must not be suppressed by inadequate application of anaesthetics, while in patients with clinical signs of insufficient anaesthesia a deepening of the anaesthesia is necessary. In patients with traumatic-haemorrhagic and haemorrhagic shock, rapid stabilization of the circulatory system through haemostasis and volume replacement must be attempted. Circulatory therapy should aim for an SAP > 90 mm Hg and an HR < 100/min, and an SAP > 120 mm Hg to achieve an adequate CPP in patients with craniocerebral trauma. In the event of uncontrolled bleeding, careful volume replacement with permissive hypotension is required, until surgical or interventional haemostasis can be established. In such cases, an SAP of about 70 - 80 mm Hg (or an MAP > 50 mm Hg) is desirable. In the emergency room, the responsible surgeon and anaesthesiologist should be provided with an oral and written report by the emergency physician, This is followed by a comprehensive examination of the patient by the specialists, the application of a high-flow central venous catheter und initial diagnostic imaging. During intrahospital transport, meticulous clinical and technical monitoring of the patient and protection against hypothermia are imperative. Urgent diagnostic procedures should be noted in writing and carried out without delay. The advantages and disadvantages of therapeutic measures must be carefully considered to ensure minimization of the traumatization. After admission to the intensive care unit, the patient should be systematically examined and assessed by the physician in charge at least once a day. A special emergency room is necessary not only for the primary care of multiple injury patients but also for other emergency patients. The equipment must be such as to permit the securement of vital functions and enable diagnostic and therapeutic interventions to be implemented, and a specialized emergency team must be available at all times. In the interest of the patient, interdisciplinary cooperation is imperative, and this is improved by the institution of a team coordinator.
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