Sonderbeiträge | Special Articles
Recht | Legal Affairs
U. Schulte-Sasse
Produktionsdruck im Operationssaal gefährdet Patienten
Production pressure in operating theatres endangers patients
Schlüsselwörter
Produktionsdruck – Patientensicherheit – Anästhesierisiko – Krankenhausmanagement – Arzthaftpflichtp
Keywords
Production Pressure – Patient Safety – Anaesthesia Mishaps – Health Economics – Medical Malpractice
Zusammenfassung
Es ist dem Anästhesisten eine vertraute Erfahrung, dass Operationsprogramme verfügbare personelle Ressourcen wiederholt unberücksichtigt lassen und dass die notwendige Anpassung – Planung an Wirklichkeit – zu Konflikten führt: es resultiert Patienten-gefährdender Produktionsdruck.
In Gegenwart unzureichender Finanzierung von
Gesundheitseinrichtungen ist die Gefahr für Patienten dort besonders groß, wo, um Erlöse zu erzielen,
Sicherheitserwägungen (z.B. Qualifikation des Anästhesisten) dem Erreichen von Produktionszielen (jährliche Fallzahlen, Saalauslastung, Wechselzeiten) untergeordnet werden. Mit klinischen Beispielen wird dargestellt, wie groß die Gefahr für Patienten sein kann, wenn dem Erreichen eines Produktionszieles – das Einhalten eines geplanten OP-Progammes – eine höhere Priorität eingeräumt wird als der Sicherheit der Patienten.
Es werden auch Ausführungen dazu gemacht, wer sich in dem einem Schadensfalle folgenden Haftpflicht- oder Strafprozess typischerweise zu verantworten hätte – und dazu, wer sich, obwohl ebenfalls verantwortlich, bisher nicht zu verantworten hat. Die juristischen Spielregeln, nach denen ein Arzthaftpflichtprozess oder ein Strafverfahren ablaufen, verhindern bisher häufig, dass die Verantwortlichkeit von patientenfern entscheidenden Managern und managenden Ärzten, von Betreibern von Gesundheitseinrichtungen erkannt und gewürdigt wird. Die Chance, mit voller Namensnennung verurteilt zu werden, nimmt mit der Entfernung zum Handeln am geschädigten Patienten ab: den direkt am Patienten handelnden Arzt trifft es immer, die „patientenfernen“ ärztlichen und nicht-ärztlichen „Entscheider“ bisher nie. Juristen bewerten diese Praxis mit: Das Ziel einer generalpräventiven Wirkung des Zivil- und Strafrechts wird gegenwärtig klar verfehlt. Für die wirtschaftlich Verantwortlichen besteht Anreiz, kostengünstige, aber potentiell gefährliche Organisationsstrukturen aufrechtzuerhalten oder sogar neu einzuführen, ohne dass diese persönlich dafür einzustehen hätten.
Summary
A common experience by clinical
anaesthesiologists is an operation schedule that is
incompatible with the staff available and the necessary rescheduling – compliance with reality – often leads to conflict due to “production pressure” – a
potentially dangerous situation for patients. With many health care providers in financial strait dangerous situations are most likely to arise when safety considerations (e.g. employment of fully qualified
anaesthesiologists) are left unconsidered in order to meet production targets (case load, theatre capacity utilisation and changeover times). This article describes critical events that demonstrate how acute danger to patients becomes when priority is given to meeting a target (eg. completing the OR schedule) over the safety of the patient.
The article also identifies those answerable in the event of possibly resulting malpractice litigation, as well as those who – though also equally responsible – have not previously been called to account. Current laws that that apply to medical malpractice lawsuits, tend to obfuscate recognition and evaluation of the responsibility of the decision-taking physician and non-physician managers with no direct patient
contact. The possibility of being publicly sued and charged increases in direct proportion to patient contact – the doctor is always in trouble, the “no-patient-contact” managers probably never. The preventative effect of such lawsuits is largely non-existent. Since they are still very unlikely to be personally – and
publicly – held responsible for the consequences of their decisions, health care providers are even encour-
aged to retain or even introduce dangerous but cost-effective organisational structures.