Sonderbeiträge | Special Articles
Qualitätssicherung | Quality Assurance
P. Welsch, H. vanden Eede, T. Volk

Umgang mit einschüchterndem und disruptivem (ärztlichem) Verhalten

Managing intimidating and disruptive (physician) behaviour

Schlüsselwörter Störendes Verhalten, Patienten­sicherheit, Just Culture, Verhaltenskodex
Keywords Disruptive Behaviour, Patient Safety, Just Culture, Code of Conduct
Zusammenfassung

In der englischsprachigen medizinischen Literatur gibt es hinreichend Belege dafür, dass unangemessenes und einschüchterndes Verhalten negative Auswirkungen auf die Mitarbeiter, die Institution und die Patientensicherheit haben kann. Insbesondere bei Ärzten wird dieses sogenannte disruptive Verhalten häufig ignoriert, und die meisten Gesundheitsorganisationen lassen In­stru­mente und Prozeduren für den Umgang mit dem Problem vermissen.


Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der vorliegenden Literatur auf das Pro­blemfeld disruptiver Verhaltensweisen hinzuweisen, mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen und eine systematische Auseinandersetzung mit diesem Thema im deutschen Sprachraum anzuregen. Nach einer Datenbankrecherche wur­den aus 380 Abstracts 66 Artikel abstrahiert und analysiert. Obwohl eine große Übereinstimmung bezüglich der negativen Folgen von disruptivem Verhalten besteht, finden sich weder eine allgemeingültige Definition noch einheitliche Lösungsstrategien. Für Gesundheitsinstitutionen sind in der Vergangenheit nonpunitive Fehlermeldesysteme eingeführt worden. Jedoch dürfen Verhaltensweisen, die in ihrer Bedeutung in einen inakzeptablen Bereich oder zu einem Risiko für den Patienten führen, nicht ungeahndet bleiben. Eine Kultur, in der Mitarbeiter darin bestärkt werden, sicherheitsrelevant erscheinende Informationen zu melden, und sich dabei bewusst sind, dass es eine klare Grenzziehung zwischen akzeptablem und inakzeptablem Verhalten gibt, wird in der angelsächsischen Literatur „Just Culture“ genannt. Die Forderung nach Strategien, die das Auftreten von disruptivem Verhalten reduzieren helfen, mögen selbstverständlich sein, aber gerade in Gesundheitsorganisationen gibt es in diesem Zusammenhang nicht selten einen kulturell bedingten blinden Fleck, und Initiativen für Veränderungen scheitern an der Trägheit des Systems. Um einen Wandel in Richtung einer besseren Sicherheitskultur anstoßen zu können, müssen Gesundheitsorganisationen ihr Personal darin unterweisen. Dazu gehört ein Verhaltenskodex, Instrumente, die „korrektes“ Verhalten verstärken und denjenigen Hilfestellung geben, die störendes Verhalten an den Tag legen. Gerade in einer Zeit knapper Mittel und hoher Personalfluktuation sollte das Thema schon früh in der Aus- bzw. Weiterbildung angesprochen werden. Arbeitsplatzzufriedenheit, Kommunikationskompetenz und die Fähigkeit, in komplexer werdenden Systemen als Team zu funktionieren, sind wesentliche Bausteine der Patientensicherheit. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Prävalenz von disruptivem Verhalten in Deutschland und den Effekt von Strategien zum Umgang damit zu evaluieren.

Summary Medical literature provides sufficient evidence that disruptive behaviour has a negative impact on work relationships, team collaboration, communication efficiency, and process flow, all of which can adversely affect patient safety and quality of care. In contrast to the situation in the Anglo-Saxon countries, this problem is often ignored in the German-speaking community, and most healthcare organisations lack the tools needed to cope with it. The purpose of the present review was to identify and analyse the available literature on the management of disruptive behaviour, and to encourage further investigation in the German-speaking community. A multimethod, systematic review of the literature was conducted, and from the initially identified 380 abstracts, 66 articles were selected, retrieved and analysed. Consistent findings regarding the effects of disruptive behaviour were noted and inconsistent findings in terms of the definitions of disruptive behaviour and how strategies should be implemented to deal with this behaviour were identified. To improve patient safety as well as teamwork, health care organisations should go for a just culture (an atmosphere of trust in which people are encouraged (even rewarded) for providing essential safety-related information, but in which they are also clear about where the line must be drawn between acceptable and unacceptable behaviour) and instruct their medical staff accordingly. There is a need for a code of conduct and tools for the enforcement of correct behaviour, as well as assessment and coaching for those who show disruptive behaviour. The topic should be addressed at an early stage in training, since job satis­faction will become ever more important in times of diminishing resources, and can greatly aid the evolution of a successful team. Also needed are studies aimed at identifying the prevalence of disruptive behaviour in Germany, and comparing hospital safety and culture before and after the implementation of strategies for dealing with disruptive behaviour.
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