Sonderbeiträge | Special Articles
Qualitätssicherung | Quality Assurance
H. Eismann · S. Schild · C. Neuhaus · J. Baus · O. Happel · A.R. Heller · T. Richter · M. Weinert · B. Sedlmayr · M. Sedlmayr · M. St.Pierre

Gedächtnis- und Entscheidungshilfen für Notfälle in der Anästhesiologie. Grundlagen und Anwendungen.

Schlüsselwörter Checkliste – Notfallversorgung – Web App – Entscheidungsfindung – Gedächtnis
Keywords Cognitive Aid – Crisis Manage­ment – Web Application – Decision-making – Memory
Zusammenfassung

In der Anästhesiologie wird zunehmend anerkannt, dass der Stress einer Notfallsituation sowohl zu einer Einschränkung der individuellen Denk-und Leistungsfähigkeit als auch der Fähigkeit zur konstruktiven Teamarbeit führen kann.

Als eine Möglichkeit, diese negativen Auswirkungen zu kompensieren, wird seit vielen Jahren in Analogie zur Luftfahrt die Verwendung von Notfallchecklisten oder Notfallmanuals vorgeschlagen. Während Checklisten seit Jahrzehnten Bestandteil des Sicherheitskonzepts in der Luftfahrt sind, hat sich deren Anwendung für Notfallsituationen in der Anästhesiologie noch nicht etabliert. Gründe hierfür sind, dass As-pekte der Benutzerfreundlichkeit nicht berücksichtigt wurden und dass sich die Checkliste nicht in etablierte Arbeitsprozesse einfügt. Die Anwendung von Checklisten in medizinischen Notfallsituationen scheitert jedoch vor allem am grundlegenden Unterschied zwischen den Systemeigenschaften eines technischen Gerätes und eines biologischen Wesens. Während es bei technischen Geräten möglich ist, den einen Prozessweg festzulegen, mit dem ein Problem am besten behoben werden kann, ist das Verhalten biologischer Systeme nicht vollständig vorhersehbar, sodass sich die Problemlösung nicht mittels einer linearen Checkliste erfassen lässt. Anstelle von Checklisten kann die Patientenversorgung von Gedächtnis- und Entscheidungshilfen (Cognitive Aid) profitieren, deren Aufgabe darin besteht, erfahrene Teams zu unterstützen, sich zu erinnern und die Notfallversorgung zu optimieren. Eine Arbeitsgruppe des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten e.V. und der deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V.
hat in einem benutzerzentrierten Entwicklungsprozess eGENA entwickelt, welche alle Kriterien einer guten digitalen Gedächtnis- und Entscheidungshilfe erfüllt. Die Herausforderung wird darin bestehen, die physikalischen, kognitiven und sozialen Aspekte der Implementierung von eGENA in die bisherige Art der anästhesiologischen Notfallversorgung zu verstehen. 

Summary

Anaesthesiology has witnessed a grow-ing acknowledgement of the fact that stress can have a negative impact on individual cognitive function and effective team performance. Cognitive aids such as checklists have come to be viewed as promising tools in the management of critical events. While checklists have been an integral part of the safety strategy in aviation for many decades, there has been little progress in establishing related concepts in anaesthesiology. Reasons for this reluctance are the lack of usability of the cognitive aids developed and the fact that these cognitive artefacts do not support established treatment processes. The main reason, however, are the different system properties of technical devices and biological systems. While it is possible to define the one best way of solving a technical problem and translate this knowledge into a linear checklist, the behaviour of biological systems is dynamic and adaptive, which makes it impossible to predict with certainty the cause of a pathophysiological disturbance and define the single best way to solve a problem. Rather than being restricted to a linear checklist, cognitive aids can improve emergency management by helping experienced teams to remember and excel. The German Cognitive Aid Working Group of the Professional Association of German Anaesthesiologists (BDA) and the German Society of Anaesthesiology and Intensive Care Medicine (DGAI) has developed a digital cognitive aid for intraoperative emergencies in an iterative user-centred design process. The future challenge will be to understand the physical, cognitive and social aspects of implementing the cognitive aid into established processes of crisis management in anaesthesia.

Deutsch