
Zusammenfassung: Jede Anwendung von Triggersubstanzen (Succinylcholin, alle halogenierten Inhalationsanästhetika) kann beim disponierten Patienten eine maligne Hyperthermie (MH) auslösen. Die Veranlagung eines Patienten für die MH ist mit Anamnese, körperlicher Untersuchung und üblichen präoperativen Laboruntersuchungen nicht aufzudecken; frühere unauffällige Narkosen unter Verwendung von Triggersubstanzen schließen eine MH-Krise nicht aus.
Keinesfalls jede MH oder jeder succinylcholininduzierte Herzstillstand gelangt über Morbiditätsstudien oder Fallberichte der Fachöffentlichkeit zur Kenntnis. Die in der Literatur mitgeteilten Häufigkeitsangaben können lediglich die sprichwörtliche Spitze des Eisberges beschreiben. Das Problem der MH - aus klinisch pragmatischer Sicht - ist als gelöst zu bezeichnen: Wir kennen ihre Symptome, wir haben apparative Möglichkeiten, diese aufzuspüren, und vor allem wir haben mit Dantrolen ® ein Medikament, das zuverlässig eine MH beherrscht. Wenn heute noch immer Patienten infolge von MH sterben, und dies trotz einer Überfülle von Publikationen zu diesem Thema, dann ist es im Sinne des Riskmanagements vor allem der erste Schritt der Risikoverminderung, der im Kampf gegen die anhaltende Sterblichkeit Erfolg verspricht: Es gilt, Bewußtsein zu wecken bzw. wachzuhalten für ein Problem, aus dem sich medizinische Risiken für die Patienten (und juristische Risiken für den Anästhesisten) ergeben können. Fehlt es an Problembewußtsein, dann folgt geradezu automatisch - ein zweiter Mangel, der sich in der konkreten Situation tödlich auswirkt: Es ist das Versäumnis, eine Infrastruktur aufzubauen und zu pflegen, die es erlaubt, personell, apparativ und medikamentös verzugslos die Verdachtsdiagnose zu stellen und die Therapie einzuleiten. Die MH ist viel zu gefährlich, als daß es genügen würde, im Moment der Krise das "Rad neu zu erfinden" und sich erst jetzt mit Diagnose und Therapie vertraut zu machen. Mit dem Ziel, Problembewußtsein zu schärfen, geht es in diesem Beitrag in Ergänzung zu jüngeren Übersichtsartikeln (6, 27) vor allem darum, mit Hilfe von konkreten Fällen, die dem deutschen "Rund-um-die Uhr - Informationsdienst bei MH-Notfällen" bekannt geworden sind, Diagnose und Therapie der MH so vorzustellen, wie sie Anästhesisten in Notsituationen bereits begegnet sind. Mit detaillierter Beschreibung der Fälle soll vor allem auf die Variabilität des klinischen Erscheinungsbildes aufmerksam gemacht werden.