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Klinische Anästhesie | Clinical Anaesthesia
D. Keipke · H. Marcus · L. Lindenbeck · F. Wappler

„PAVIAN“ – Einfluss eines strukturierten Übergabekonzeptes auf die Übergabequalität und -kultur in der periopera­tiven Patientenbetreuung

Schlüsselwörter Strukturierte Übergabe – Interprofessionelle Kommunikation – Informationsweitergabe – Perioperative Patientenversorgung
Keywords Structured Handover – Interprofessional Communication – Information Transfer – Perioperative Patient Care
Zusammenfassung

Hintergrund: Die Anforderungen an die anästhesiologische Tätigkeit im Aufwachraum werden in ihrer Komplexität und Dynamik häufig unterschätzt. Eine umfassende, zielgerichtete und zeiteffiziente Kommunikation ist daher an dieser perioperativen Schnittstelle unerlässlich und schützt vor patientengefährdenden Informationsverlusten bei der Über-gabe. Wir untersuchten, ob durch den Einsatz eines Kommunikationskonzeptes die Qualität und die Rahmenbedingungen einer Übergabe verbessert werden können.

Methodik: Über einen Zeitraum von einem Jahr wurde die Übergabequalität und -kultur der anästhesiologischen Klinik eines universitären Klinikums vor und nach Einführung des strukturierten Übergabekonzeptes „PAVIAN“ anhand von 400 Übergaben im Aufwachraum evaluiert. Um eine störungsfreie und effektive Übergabe zu gewährleisten, wurden zunächst unverzichtbare Rahmenbedingungen definiert, unter denen eine Übergabe stattfinden sollte. Zur intuitiven und chronologischen Darstellung der fallbezogenen Patientendaten wurde das Akronym „PAVIAN“ entwickelt. Es steht für sechs Kernpunkte: Der Patient (P) mit seiner Anamnese (A) und dem Verlauf (V) seiner Behandlung seit Beginn der Anästhesiepräsenz, sein Ist-Zustand (I) bei Übergabe und das weitere Vorgehen im Aufwachraum (A) inklusive aller Nebenbedingungen (N). 

Ergebnis: Nach Implementierung des Übergabekonzeptes verbesserten sich sowohl die Rahmenbedingungen (p < 0,001) als auch die Qualität der Übergaben (p < 0,001) hinsichtlich Inhalt und Vollständigkeit signifikant gegenüber dem Zeitpunkt vor der Einführung. Es konnte diesbezüglich kein Unterschied zwischen erfahrenen und jüngeren Kollegen festgestellt werden. Auch ein Einfluss auf die Übergabedauer konnte nicht beobachtet werden.

Schlussfolgerung: Das Übergabekonzept „PAVIAN“ ermöglicht eine höhere Informationsdichte sowie verbesserte Rahmenbedingungen im Übergabeprozess, ohne den zeitlichen Übergabeaufwand zu erhöhen. Alle anästhesio-logischen Kliniken sollten prüfen, ob ein individuelles, strukturiertes Übergabekonzept zur Verbesserung der eigenen Übergabekultur und -qualität implementiert werden kann.

Summary

Background: The complexity and dynamics of anaesthesiological work in the recovery room are often underestimated. Comprehensive, targeted and time-efficient communication is therefore indispensable at this perioperative interface and protects against patient-endangering loss of information during handover. We investigated whether the quality and the basic conditions of a handover can be improved by using an optimised communication concept.

Methods: Over a period of one year, the handover quality and culture of the anaesthesiology clinic of an university hospital was evaluated before and after the implementation of the structured handover concept „PAVIAN“ based on 400 handovers in the recovery room. To ensure a disturbance-free and effective handover, indispensable basic conditions were first defined under which a handover should take place. The acronym „PAVIAN“ was developed for an intuitive and chronological representation of the case-related patient data. It stands for the six key points: The patient (P) with his anamnesis (A) and his course (V) of medical treatment since the beginning of the presence of anaesthesia, his actual condition (I) at handover and the further procedure in the recovery room (A) including all secondary conditions (N). 

Result: After implementation of the hand-over concept, both the basic con-ditions (p < 0.001) and the quality of the handovers (p < 0.001) improved significantly in terms of content and completeness compared to the time before the introduction. No differences could be found between experienced and younger colleagues in this context. Neither could an influence on handover duration be observed.

Conclusion: The „PAVIAN“ handover concept provides a higher information density as well as improved basic conditions in the handover process without increasing the time the handover requires. All anaesthesiology departments should examine whether an individual, structured handover concept can be implemented to improve their own handover culture and quality.

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